Spinalonga

Knapp 150 Meter sind es vom Hafen Spinalongas bis zur Kalydon-Halbinsel. Wenn man sich vorstellt, wie hier jemand vor 100 Jahren gestanden hatte, die rettende Halbinsel fast in greifbarer Nähe und doch hoffnungslos gefangen auf der winzigen Insel Spinalonga voller Krankheit, schmerzerfüllter Schreie, Hunger, Verzweiflung, Gestank verrottenden Fleisches und des Todes, dann läuft es einem heute noch kalt den Rücken herunter!

Spinalonga oder auch Kalydon, wie die Insel heute offiziell wieder heißt, hat eine bewegte und bewegende Vergangenheit:

Die kleine Insel Kalydon wurde bereits in der Antike zum Schutz des Hafens Olous befestigt. Als die Araber im 9. Jhrd. n. Chr. Kreta besetzten, wurde Olous verlassen und die Befestigungsanlage nur noch sporadisch genutzt.

Später kamen weitere Teile Kretas zusammen mit anderen Teilen Griechenlands unter venezianische Herrschaft. Die Venezianer gaben der kleinen Insel den Namen Spinalonga („spina lunga“ = „langer Dorn“), der heute noch immer gebräuchliche Name, obwohl die Insel seit 1954 offiziell wieder ihren antiken Namen Kalydon trägt.

Als dann 1571 die Osmanen Zypern eroberten, beschloss der Venezianische Staat ein umfangreiches Festungsbauprogramm für Kreta, infolgedessen dann auch auf den Ruinen der antiken Festung im späten 16. Jahrhundert eine neue Festung errichtet wurde. Hintergrund war vor allem die Sicherung des Salzexportes aus den dortigen Salinen.

Rebellen und Flüchtlinge aus dem Osten Kretas, der unter osmanischer Kontrolle stand, kamen schon ab 1647 nach Spinalonga. Zusammen mit den venezianischen Soldaten der Insel verteidigten sie diese über hundert Jahre gegen die osmanische Belagerung. Erst am 4. Oktober 1715 gelang es den Osmanen nach dreimonatiger Belagerung Spinalonga zur Kapitulation zu zwingen. Laut des Kapitulationsvertrags sollten Zivilisten entweder die Insel mit all ihrer Habe verlassen oder als Untertanen des Sultans auf Spinalonga bleiben können. Christen sollten das Recht auf eine orthodoxe Kirche auf der Insel haben und auch venezianische Soldaten sollten sicher abziehen dürfen. Mit dem Frieden von Passarowitz von 1718 kam Spinalonga dann endgültig unter osmanische Herrschaft. Doch entgegen der Verträge wurden nach Abzug der Venezianer 616 verbliebene Einwohner Spinalongas gefangen genommen und schließlich in die Sklaverei verkauft.

Spinalonga wurde nun von Muslimen besiedelt. Aus Sicherheitsgründen wurden ca. 200 osmanische Soldaten mit ihren Familien auf Spinalonga angesiedelt.

Nach dem Aufstand der Kreter im Türkisch-Griechischen Krieg wurde auf Druck der Großmächte Frankreich, Großbritannien und Russland hin mit dem Friedensschluss vom 4. Dezember 1897 der Kretische Staat gebildet, der zunächst britisch-französisch-russisch-italienisches Protektorat war.

1904 beschloss der Kretische Staat die Zwangsunterbringung aller Leprakranken Kretas auf Spinalonga — die ersten Kranken kamen am 13. Oktober des gleichen Jahres auf die Insel. Als Kreta dann 1913 mit Griechenland vereint wurde, brachte man die Leprakranken aus allen Teilen Griechenlands hier her.

Doch viel mehr als die Kranken auf der Insel auszusetzen und dafür zu sorgen, dass sie diese nie wieder verlassen würden, tat der Staat nicht. Das Leben auf der Insel war ein absoluter Alptraum! Es gab keine zuverlässige Nahrungsmittelversorgung, keine Medikamente, keine hygienischen Maßnahmen, keine Hoffnung. Nur ein paar mildtätige Menschen sorgten dafür, dass wenigstens etwas geschah, aber das wenige, was sie tun konnten, war bei Weitem nicht genug, um für ein wenigstens ansatzweise menschenwürdiges Leben zu sorgen. Erst in den 1930er Jahren verbesserte sich die Lage, da sich ein paar Initiativen der Insel annahmen. 1935 lebten ca. 300 Kranke auf der Insel, jede Woche starb ein Mensch, aber jede Woche wurde auch ein neuer Kranker gebracht.

Selbst die deutschen und italienischen Besatzer wagten es während des 2. Weltkrieges nicht, die Insel zu betreten, mussten aber trotzdem die Inselbewohner wenigstens mit überlebensnotwendigen Dingen versorgen. Da sich keiner auf die Insel traute, konnten die Inselbewohner hier ein illegales Radio mit Nachrichten einrichten, die der Arzt Grammatikakis mit kopierten Nachrichten aus London und Kairo versorgte.

Durch die Anwendung neuer Medikamente, der relativ neu entdeckten Antibiotika, stiegen ab 1948 die Heilungsraten. Ab jetzt durften geheilte Patienten die Insel auch wieder verlassen. Spinalonga war noch bis 1957 Leprastation und damit eine der letzten Leprakolonien Europas.

Als letzter Einwohner verließ 1962 ein Priester die Insel. Seither ist sie unbewohnt. Heute ist die Insel Weltkulturerbe und eine der Haupt-Touristenattraktionen Kretas.

Max hätte zwar mit dem Boot von Plaka nach Spinalonga übersetzen, dann aber die Siedlung selbst nicht betreten dürfen, und so befürchtete Susanne schon, auch diese Stätte nicht besuchen zu können, vor allem auch, weil wir sehr schwüles Wetter bei über 30°C hatten und sie Max nicht alleine bei mir lassen wollte. So standen wir unter Bäumen am Strand von Plaka und schauten nur von der Ferne auf die Insel. Glücklicherweise hat dann aber ein wirklich netter junger Mann, der auch mit seinem Wohnmobil hier stand, angeboten, 2-3 Stunden mit Max an den Strand zu gehen. Wirklich sehr nett, denn so konnte Susanne schließlich doch zur Insel übersetzen.

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