Vier ineinander verschlungene Ringe – klingelt es da vielleicht schon bei jemandem? Die „vier guten Ringe“ waren das Symbol einer 1932 in Chemnitz als Zusammenschluss von vier regionalen Firmen neu gegründeten Aktiengesellschaft. Trotz wechselnder Firmengeschichte repräsentieren diese vier Ringe auch heute noch jene Aktiengesellschaft. Wem das immer noch nichts sagt, helfen vielleicht die Namen Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen (DKW) mit Tochtergesellschaft Audiwerke AG Zwickau, Horchwerke AG oder Automobilwerk Siegmar der Wanderer-Werke auf die Sprünge. Genau, die Wiege der Audi AG liegt tatsächlich im sächsischen Chemnitz!
Als 1948 alle Unternehmen, die zu mehr als 50% in deutschem Staatsbesitz waren, per Gesetz der Besatzungsmächte enteignet wurden, wurde die Aktiengesellschaft aus dem Chemnitzer Handelsregister gelöscht. 1949 wurde dann dank Kredite der Bayerischen Staatsregierung und der Marshallplan-Hilfen eine neue Auto Union GmbH in Ingolstadt u.a. von ehemaligen Mitarbeitern der alten chemnitzer Autounion gegründet. Besonders genannt werden sollten hier Richard Bruhn, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der früheren Chemnitzer Auto Union AG, und sein Stellvertreter Carl Hahnsen.
1969 fusionierte die Auto Union GmbH mit der Neckarsulmer Motorenwerke AG zur Audi NSU Auto Union AG. Mit dem Umzug des Unternehmenssitzes 1985 wurde die Firma in Audi AG umbenannt.
„Audi“ ist Latein und bedeutet übersetzt: „Hör zu!“ bzw. „Horch!“. Damit ist der Firmenname gleichzeitig auch eine Hommage an den Gründer der ursprünglichen Audi- bzw. Horchwerke – beide aus dem sächsischen Zwickau und zwei der vier Firmen, die sich 1932 in Chemnitz zur Auto Union AG zusammengeschlossen hatten.



Chemnitz gilt allgemein als Wiege des deutschen Werkzeugmaschinenbaus. Der gebürtige Ungar Johann Zimmermann erbaute dort 1848 die erste deutsche Fabrik, die sich ausschließlich mit der Herstellung von Werkzeugmaschinen befasste. Der deutsche Maschinenbau, wie wir ihn heute kennen, ist ohne Chemnitz also nicht vorstellbar.
Chemnitz, damals noch immer ein wichtiger Industriestandort, litt im 2. Weltkrieg stark. 1940 gab es die ersten Luftangriffe, die schwersten Bomberangriffe dann Anfang 1945. Fast 4000 Menschen verloren in Chemnitz ihr Leben und die Innenstadt und Wohngebiete wurde auf über sechs Quadratkilometer zerstört. In den 50er Jahren wurde schließlich entschieden, die zerstörte historische Substanz zugunsten einer weitläufigen Innenstadt zu opfern. So findet man in Chemnitz heute leider kaum mehr historische Bauten.

Einige der alten Gebäude konnten jedoch erhalten werden und laden zur Betrachtung ein:
Da ist zum Beispiel das Doppelrathaus am Markt. Das Alte Rathaus wurde Ende des 15. Jahrhunderts erbaut und ist bis heute Sitz des Bürgermeisters. Während der Industrialisierung wurde das Rathaus zu klein für die komplette Stadtverwaltung und so wurde Anfang des 20. Jahrhunderts das Neue Rathaus angebaut, dessen Eckfassade die Chemnitzer Rolandfigur ziert.
Läuft man zum Theaterplatz, trifft man hier auf die St. Petrikirche, das König-Albert-Museum und das Opernhaus.
Doch die meistfotografierte Attraktion der Stadt ist sicherlich der Nischel! Am 9. Oktober 1971 wurde die 7,10 m hohe und 40 Tonnen schwere Portraitbüste in einem feierlichen Akt vor ca. 250 000 Menschen im damals noch Karl-Marx-Stadt genannten Chemnitz enthüllt.
40 Jahre lang waren die Chemnitzer davon überzeugt, dass ihre Büste die Größte der Welt sei. 2011 stellte sich dann allerdings heraus, dass der ebenfalls 1971 im russischen Ulan Ude errichtete Lenin-Kopf 60 cm größer und zwei Tonnen schwerer ist als der Chemnitzer Nischel.
Trotzdem ist der Karl-Marx-Kopf absolut beeindruckend, wenn man vor ihm steht! Die Büste wurde in 95 Einzelteilen in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, gegossen und erst in Chemnitz wieder auf einem Granitsockel zusammengesetzt. Danach wurde er von der VEB Germania verschweißt und die Fugen verfüllt.
Der Schriftspiegel auf der „Parteisäge“, dem Gebäude hinter der Büste, gehört mit zum Monument. In 174 Einzelteilen haben die Künstler Volker Beier und Heinz Schumann das Zitat „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ aus Marx‘ Kommunistischem Manifest in Deutsch, Englisch, Russisch und Französisch auf der Wand angebracht.
Der Spitzname Nischel für die auch liebevoll einfach nur „Kopp“ genannte Büste leitet sich übrigens aus dem mitteldeutschen Wort für Kopf bzw. Schädel ab.

Aber warum hieß Chemnitz eigentlich von 1953 bis 1990 „Karl-Marx-Stadt“? Karl Marx wurde hier weder geboren, noch ist er hier gestorben. Er hat sich nicht einmal irgendwann in Chemnitz aufgehalten! Am 1. Januar 1953 erklärte die SED das Jahr zum Karl-Marx-Jahr. Man wollte den Gründer des wissenschaftlichen Sozialismus ehren, aber auch die Chance nutzen, das Denken der Bürger in die „richtigen Bahnen“ zu lenken. Ursprünglich sollte Eisenhüttenstadt zu Karl-Marx-Stadt werden, doch die Stadt wurde letztendlich in Stalinstadt umbenannt. An zweiter Stelle stand dann Leipzig, aber Leipzig sollte Messestadt und damit Tor zur westlichen Welt bleiben. Außerdem gab es Gerüchte, Walter Ulbricht wäre gerne Namensvetter seiner Geburtsstadt, und so wurde diese Idee schließlich verworfen. Man entschied sich also für Chemnitz, eine Stadt, die seit Jahrzehnten durch Industrie und Arbeiterschaft geprägt wurde. Die Chemnitzer Bürger erfuhren von dieser Entscheidung allerdings erst Ende April, ein paar Tage vor der offiziellen Umbenennung am 10. Mai 1953.
Kurz nach der Wende, im April 1990 gab es einen Bürgerentscheid, die Stadt wieder zurück in „Chemnitz“ umzubenennen, und so erhielt sie am 10. Juni 1990, nach 37 Jahren, wieder ihren ursprünglichen Namen.