Bologna (Teil 1)

Bologna, „die Gelehrte“, „die Rote“ und „die Fette“. Viele Städte Italiens haben ja einen Spitznamen, so z.B. Rom, „die ewige Stadt“, oder Venedig, „La Serenissima“ (die Ruhige oder Gelassene). Für die Hauptstadt der Emilia-Romagna war ein einzelner Spitzname aber nicht genug, also gab es dann drei: „La dotta“ (die Gelehrte), weil sich in Bologna die älteste Universität Europas befindet, „la rossa“ (die Rote) wegen der roten Gebäude Bolognas und „la grassa“ (die Fette) als dezenten Hinweis auf das kulinarische Erbe der Stadt.

Als Gründungsjahr des Alma Mater Studiorum von Bologna gilt 1088. Schon von Anfang an war die Universität für Rechtswissenschaften berühmt. Zwar gab es schon in der Antike Gelehrtenschulen, aber im Unterschied zu diesen hatte die Universität von Bologna eine rechtliche Verfasstheit. Wie der Verwaltungshistoriker Stefan Fisch einst über die Institution Universität sagte: „[…] dass sie sich nach außen, vor allem gegen die Stadt, abgrenzte als ein Rechtsraum mit eigenen und anderen Normen.“

Heute studieren an der Universität Bologna ca. 85.000 Menschen – zum Vergleich: an der größten Volluniversität Deutschlands, der Universität zu Köln, sind ca. 54.000 Studierende eingeschrieben, an der Fernuni Hagen studieren knapp 77.000 Menschen.

Zwei Dinge versuchen Studierende der Universität Bologna aber auf jeden Fall zu vermeiden, denn es heißt, man dürfe sonst sein Studium nicht abschließen: den Torre Degli Asinelli hinaufzusteigen und mitten über die Piazza Maggiore zu laufen!

Die Universität von Bologna ist nicht nur die Älteste Europas, sondern sicherlich auch eine der schönsten Universitäten. Die Aula Magna Santa Lucia wurde am 5. Mai 1988 in dem Gebäude einer Kirche aus dem 5. Jahrhundert eingeweiht. Im Palazzo Poggi aus dem 16. Jahrhundert befindet sich heute der Hauptsitz der Universität. Im gleichen Jahrhundert wurden auch die Botanischen Gärten und Herbarien gegründet. Im historischen Palazzina della Viola sind die Büros für internationale Angelegenheiten angesiedelt. Das Palazzo Hercolani aus dem späten 18. Jahrhundert beherbergt Politikwissenschaften, Soziologie, Wirtschaftsrecht und Sozialwissenschaften. Auf die Künste trifft man im Palazzo Marescotti Brazzetti. Die Universität hat virtuelle Rundgänge  durch diese Gebäude bereitgestellt.

Die Gründung dieser Universität hatte nicht nur große Auswirkungen auf die Wissenschaft (und damit auch auf die Gesellschaft, wie wir sie heute kennen), sondern auch großen Einfluss auf die Architektur Bolognas und die Aufhebung der Leibeigenschaft.

Sieben Jahre nach der Niederlage in der Schlacht von Fossalta 1249 wurden fast 6000 Leibeigene in Bologna in die Freiheit entlassen. Bologna war somit die erste Stadt weltweit, die die Leibeigenschaft und Sklaverei abschaffte.

Am 25. August 1256 wurde in Bologna ein Vertrag unterzeichnet, mit dem die Stadt Bologna 379 Herren 5791 Leibeigene abkaufte. Nicht etwa aus sozialen, sondern aus finanziellen Beweggründen heraus. Ein freier Mann musste Steuern zahlen, ein Leibeigener nicht. Ein freier Mann würde sein Haus und seine Heimat mit allem verteidigen, was er hatte, ein Leibeigener nicht. Und so wurden Juristen herangezogen (man hatte derer wegen der recht neu gegründeten Universität ja genug), um die Sache ins Rollen zu bringen und so alles unwiderruflich in trockene Tücher zu bringen. Das Ganze wurde dann 1247 im „Liber Paradisus“ dokumentiert. Neben ein wenig Rhetorik zu Anfang des Dokuments besteht es übrigens hauptsächlich aus einer Liste aller Freigelassenen und deren Herren. Aber auch für die Zukunft wird festgehalten: „Die wiedererworbene Freiheit soll nicht durch ein Ferment der Unfreiheit korrumpiert werden.“ – zukünftig durften sich also keine Leibeigenen mehr in der Stadt aufhalten.

Zur Universität gibt es auch noch eine lustige Geschichte über Susanne: Sie interessiert sich ja für Kultur, Architektur, Fotografie und Geschichte. Seit Jahren fährt sie immer wieder nach Bologna zu ihren Lieferanten, die als echte Italiener absolut gastfreundlich und zuvorkommend sind und Susanne immer wieder fragen, wo sie denn vielleicht gerne hin möchte oder was sie gerne besichtigen würde.

In einem Jahr sagte sie dann, sie wolle zum „Istituto Ortopedico Rizzoli“ (Orthopädisches Institut Rizzoli) und „Cimitero monumentale della Certosa“ (Monumentalfriedhof Certosa). Die Italiener fanden das sehr lustig: Da kommt jemand nach Bologna und will sich ausgerechnet erst ein Krankenhaus und dann einen Friedhof ansehen!

Aber oben beim Instituto Rizzoli befindet sich nicht nur das Krankenhaus, sondern auch die wirklich schöne Kirche San Michele in Bosco. Von dort aus hat man einen unvergleichlichen Ausblick über Bologna (siehe Titelbild) und im historischen Gebäude des Institut ist sowohl ein wirklich interessantes Museum der Medizingeschichte als auch die einzigartige „Biblioteca Umberto I“ (siehe Bilder neben).

Auf dem riesigen Monumentalfriedhof mit seinen wunderschönen Säulengängen, Hunderten von Statuen und spektakulären Marmorhallen kann man Stunden allein mit Staunen zubringen. Selbst als Italiener, der in Bologna geboren wurde, sein ganzes Leben dort verbracht und selbst Angehörige auf dem Certosa beerdigt hat, hat man bestimmt noch nicht alle Ecken des Friedhofs gesehen. Er ist absolut und definitiv einen Besuch wert!

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