Matala

Europa, Königstochter des Zedernlandes (des heutigen Libanon), spielt mit ihren Freundinnen am Strand, als sich ihnen ein wunderschöner, zahmer Stier nähert. Die Mädchen laufen ihm entgegen und Europa hält ihm einen Blumenstrauß unter die Nase, drückt ihm sogar einen Kuss auf die Stirn. Der Stier lässt ein Brüllen von sich, das wie lydische Flötentöne klingt, woraufhin Europa auf seinen Rücken steigt.

Doch der Stier ist kein Tier, sondern der verliebte Zeus, der sich Europa in Stiergestalt nähert, damit seine eifersüchtige Gattin Hera nichts von dem geplanten Seitensprung mitbekommt. Er nimmt Europa mit sich, springt ins Meer und schwimmt zwei Tage durch die Wellen. Am zweiten Abend geht er schließlich an Land, setzt das Mädchen ab und verschwindet. Die Stelle, an der er an Land kam, soll in Matala gewesen sein.

Ein wunderschöner Jüngling erscheint und erklärt Europa, dass er der Herrscher Kretas sei und sie beschützen würde, wenn Europa die Seine werde. Was sollte die unglückliche Europa tun, allein, schutzlos und so weit weg von zu Hause? Natürlich willigte sie ein. Dann verschwand der Jüngling und Europa betrachtete das Meer, hatte Selbstmordgedanken. Kein Wunder in ihrer Situation.

Doch es erschien ihr Aphrodite. Laut des deutschen Schriftstellers Gustav Schwab sagte sie: „Lass deinen Zorn und Hader, schönes Mädchen! Tröste dich, Zeus ist es, der dich geraubt hat. Du bist die irdische Gattin des unbesiegbaren Gottes: Unsterblich wird dein Name werden, denn der fremde Weltteil, der dich aufgenommen hat, heißt hinfort Europa.“ Und so kam unser Kontinent zu seinem Namen!

In Gortyn, der Stadt, in die es mich als nächstes treiben wird, soll Zeus Europa unter einer Platane das erste Mal leidenschaftlich geliebt haben. Glaubt man allerdings dem römischen Dichter Ovid, gab sich Europa Zeus nicht so wehrlos hin, sondern wurde nach ihrer Entführung von diesem vergewaltigt.

Die bekanntesten Sehenswürdigkeiten Matalas sind seine Höhlen (siehe Titelbild). Sie wurden wohl schon während der Steinzeit als Schutzhöhlen in die Felsen geschlagen. Unter römischer Herrschaft wurden sie zu Grabstätten umfunktioniert und dann lange Zeit ungenutzt vergessen. Erst während der Hippiebewegung wurden sie wiederentdeckt — sie passten perfekt in das Weltbild der Bewegung. Und so siedelten sich hier Hippies und Aussteiger an, die in den Höhlen ein einfaches Leben mit fantastischer Aussicht gelebt haben. Sogar Bob Dylan soll zeitweise hier gewohnt haben.

Heute kann man einen Teil der „Hippie-Höhlen“ besichtigen, leider aber wieder nicht zusammen mit Max, und so blieb auch das Susanne verwehrt. Der kleine Ort Matala selbst ist absolut auf Touristen eingestellt, es gibt einen Souvenirladen und eine Taverne nach der anderen. Und obwohl noch immer mit der Hippiekultur geworben wird und diese auch in einigen Geschäftsnamen durchaus vorkommt, ist vom Charme der Bewegung tatsächlich nur noch wenig zu spüren.

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