Limburg an der Lahn

Nimmt man an einer Führung durch die malerische Altstadt Limburgs teil, erfährt man einige wunderliche Geschichten: So soll z.B. ein Limburger Trompeter an der Niederlage Napoleons bei Waterloo schuld sein, ein Raubritter wurde zum Stadthauptmann, ein Schmied konnte den Teufel selbst aufs Kreuz legen, eine List beendete eine Belagerung und, und, und…

Aber lasst uns doch gemeinsam einen Spaziergang durch Limburg machen!

Vom Campingplatz laufen wir entlang der Lahn zur Alten Lahnbrücke. Hier, mitten auf der Brücke, finden wir das wahrscheinlich am häufigsten fotografierte Motiv Limburgs: den Brückenheiligen Nepomuk mit dem Limburger Dom im Hintergrund.

Dabei stand die Nepomuk-Statue ursprünglich gar nicht auf der dem Dom zugewandten Seite der Brücke, sondern auf der gegenüberliegenden, auf der heute ein Steinkreuz steht, das angeblich im 14. Jahrhundert von Überlebenden der Pest gestiftet worden sein soll. Nachdem die Brücke im März 1945 schwer beschädigt worden war, wurden beim Wiederaufbau die Positionen von Statue und Kreuz getauscht.

1966 wurde die ursprüngliche Nepomuk-Statue durch eine neue ersetzt, da die alte Sandsteinfigur über die Jahre immer wieder mutwillig beschädigt worden war. Es gab Diskussionen darüber, ob man Nepomuk wieder auf die lahnabwärts weisende Seite setzen solle und damit der Geschichte Rechnung trage, dass Nepomuk von den Prager Schergen auf der flussabwärts liegenden Seite der Brücke in die Moldau gestoßen worden war, damit er sich nicht an den Brückenpfeilern festklammern und so überleben hätte können. Am Ende wurde die Statue dann doch wieder auf die zum Dom weisende Seite gesetzt. Vielleicht, weil das Fotomotiv doch zu schön ist?

Hinter der Brücke laufen wir durch die Brückengasse zum Haus der sieben Laster. Am unteren Ende des Fachwerks sind sieben Neidköpfe (Fratzen) angebracht, wobei jede dieser Fratzen für eine der sieben Todsünden steht. Neidköpfe haben eine lange Tradition. Bauherren ließen diese Fratzen aus Holz oder Stein an ihren Häusern anbringen, um Unheil und Böses abzuwehren. Im Fall des Hauses in Limburg sollte hier jeder, der in die Stadt käme, gleich sehen, was man hier nicht haben wollte: Stolz, Neid, Zorn, Trägheit, Geiz, Völlerei und Wollust.

Nur ein paar Meter weiter, am Römer 2-4-6, finden wir eines der ältesten freistehenden Fachwerkhäuser Deutschlands. Das gotische Fachwerkhaus wurde 1289 erbaut, direkt nach einem Stadtbrand, der die ganze Stadt zerstört hatte. Man sieht, dass das Haus auf dem Kellersockel eines anderen Hauses gebaut wurde, das hier wohl vor dem Brand gestanden hatte. Da man an der Seite des Hauses ein jüdisches Kultbad fand, vermutet man, dass hier vor der Vertreibung der Juden aus Limburg im 14. Jahrhundert jüdische Kaufleute gewohnt haben mussten.

Von hier aus laufen wir nun die langen Treppen hinauf Richtung Dom.

An der rechten Ecke des Domplatzes sehen wir zunächst das Bischofshaus Limburg, das schon zu Bauzeiten wegen seiner enormen Umbaukosten von 31 Millionen Euro durch die Medien ging. Der Bauherr Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst konnte hier jedoch nicht mehr einziehen, sondern trat wegen des Skandals zurück. Heute sind Teile des aus historischen Stadtmauern, der Alten Vikarie, dem Domküsterhaus, dem Mariengarten und dem Neubaukomplex bestehenden Anwesen der Öffentlichkeit zugänglich.

Der Limburger Dom ist absolut sehenswert! 1235 wurde die damals neu errichtete Stiftskirche an diesem Platz geweiht. Seit 1827 ist der Dom die Kathedralkirche des Bistums Limburg. In Anlehnung an die sieben Sakramente hat der Dom sieben Türme. Und wer schon einmal einen 1000 DM-Schein in der Hand hielt, der kann sich vielleicht auch noch an das Bild des Limburger Doms auf diesem erinnern.

Fast versteckt hinter dem Dom liegt die Felsenburg Schloss Limburg. Das Schloss wurde auf dem Kalkfelsen erbaut. Zwar wurden Lücken im Fels aufgefüllt, doch über die Jahrhunderte wurde witterungsbedingt Material herausgeschwemmt, wodurch das Gebäude in Bewegung kam. Doch nicht nur äußerlich sind Schäden zu beklagen. Auch viele Holzbauteile, beispielsweise im Renaissance-Fachwerkbau, sind verfault und in sehr schlechtem Zustand.

Seit 2009 saniert deshalb die Stadt Limburg ihre Felsenburg. Mittlerweile sind die Mauern zwar fest im Fels verankert, doch die umfassende Sanierung ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Trotzdem lohnt sich der Abstecher vorbei am Dom nach hinten durch das Tor.

Vom Domplatz gehen wir nun die Domtreppe hinunter durch die Bergstraße zum Bischofsplatz. Sehenswert ist hier vor allem auch das Haus Byron, das auf einer Grundfläche von nur 18 qm steht. Durch Kastenerker und hohe Schweifgiebel wirkt es aber viel größer, als es tatsächlich ist.

Am Bischofsplatz finden wir übrigens auch Limburgs älteste Zuckerbäckerei. Konditorei-Café „Kosmol“ besteht seit über 100 Jahren. Die Spezialität der Konditorei ist ihr Baumkuchen, den man nicht nur vor Ort genießen, sondern dessen Herstellung man auch beim Schaubacken live erleben kann.

Jetzt schlendern wir durch die Barfüßerstraße zum Kornmarkt. Schaut euch hier auf jeden Fall die Limburger Kaffeerösterei „Fare Tredici“ an. Das Gebäude ist schon von außen ein Blickfang und allein die etwas exotische Inneneinrichtung ist einen Besuch wert.

Weiter geht es durch die Salzgasse mit ihren charmanten kleinen Lädchen, an deren Ende wir nach links Richtung Plötze einbiegen.

Und hier auf der Plötze will ich euch eine der Geschichten, die ich ganz am Anfang angesprochen hatte, erzählen: die Geschichte vom Raubritter, der zum Stadthauptmann wurde.

Laut dem Schriftsteller Fritz Heil (1877 – 1954) boten die verzweifelten Limburger Kaufleute im Jahr 1357 dem Raubritter Friedrich von Hattstein die Stelle als Stadthauptmann an, da sie einerseits einen starken Mann benötigten, andererseits auch hofften, dass er sie dann nicht mehr überfallen würde. Aber von Hattstein verhöhnte die Kaufleute als „Pfeffersäcke“ und „Kesselflicker“, weil ihm der angebotene Lohn von 32 Goldstücken viel zu wenig erschien. Er ritt wieder in Richtung Heimat, doch kurz bevor er dort ankam, erreichte ihn die Nachricht, dass sein Hof erobert worden war und all seine Gefährten gefallen waren. Und so entschied sich von Hattstein kurzentschlossen doch wieder nach Limburg zurück zu reiten und die Stelle anzunehmen. Tatsächlich war der Raubritter sehr gut auf seinem Posten und konnte die ansässigen Diebe sprichwörtlich in die Tasche stecken.

Die Legende besagt, dass er es schaffte, ein ganzes Fass des begehrten Weines „Runkeler Rote“ auszutrinken. Die Runkeler wollten ihren kostbaren Wein nämlich nicht einfach verkaufen, aber willigten ein, demjenigen ein ganzes Fass abzugeben, der es schaffte, das gesamte Ohm (150l) Wein auf einmal zu trinken.

Als 1981 der Limburger Bildhauer Karl Matthäus Winter den Auftrag erhielt, einen neuen Brunnen für die Plötze zu bauen, versuchte er möglichst viele der Geschichten um Friedrich von Hattstein hier zu verewigen. Die Stärke des Ritters kann man schon an dessen Gestalt erahnen, aber noch eher daran, dass dieser es schafft, ein schweres Weinfass über seinen Kopf zu heben. Natürlich konnte niemand 150l Wein auf einmal austrinken und so rinnt der Wein (bzw. das Wasser des Brunnens) an seinem Mund vorbei über seine Brust. In seiner Tasche befindet sich ein Dieb, den er hier dann im wahrsten Sinne des Wortes in die Tasche steckte. Das Raubrittertum, das er an den Nagel hängte, wird hier durch das angenagelte Schwert verdeutlicht, die Freiheit, die er aufgab, durch den angeketteten Hund, auf dem er steht. Schlussendlich triumphiert dann tatsächlich der Tod über ihn – zu sehen am seitlich angebrachten Totenschädel. Und auch die unbestätigten und unerwünschten Dinge über ihn sind zu lesen: spiegelverkehrt auf der Rückseite des Brunnens.

Doch weg vom Ritter von Hattstein und wieder hin zur Plötze. Hier lohnt sich auch noch ein genauerer Blick auf das Weinhaus Schulte: die Geschichte von Jona und dem Wal ist hier in Schnitzereien zu sehen (wobei man dem Wal durchaus ansieht, dass damals wohl kein Limburger jenes Tier in natura gesehen hatte und die Fantasie durchaus interessante Formen annehmen kann).

Allgemein sollte man in Limburg immer wieder einen Blick nach oben werfen, denn hier steht nicht nur ein wunderschönes Fachwerkhaus neben dem nächsten, sondern viele der Häuser sind zusätzlich mit Schnitzereien, Zeichnungen oder Erkern verziert.

Doch gehen wir nun zurück an der Salzgasse vorbei und biegen in die Fahrgasse ab. Hier am „Eck zur kleinen Rutsche“ ist die engste Stelle Limburgs. Die Gassen in Limburg sind allesamt recht eng und die Wägen, die auf dem Weg von Köln nach Frankfurt kamen, waren breit und hoch beladen. Damit die Händler schon in Köln wussten, ob sie durch die Limburger Gassen passen würden, gab es das sogenannte „Limburger Maß“. Dieses ist bis heute am Heumarkt im Köln angeschrieben.

Wenn die Kutschen nicht mehr weiterfahren konnten, dann durften sie in eines der Limburger Hallenhäuser fahren. Dort übernahmen dann sogenannte „Säcker“ den Weitertransport der Waren. Bis heute werden die Limburger auch Säcker genannt und derjenige, dessen Familie direkt aus der Altstadt stammt, darf sich sogar „Edelsäcker“ nennen.

Wir gehen jetzt wieder das kleine Stück zurück nach oben zum urigen Fischmarkt. Eigentlich kam mir bei dem Wort „Fischmarkt“ immer eher Hamburg in den Kopf und nicht das doch sehr im Landesinneren liegende Limburg. Tatsächlich stammt das Wort „Fischmarkt“ vom Wort „Fismart“ ab, das im alten Limburger Dialekt „Faden-“ oder „Wollmarkt“ bedeutete. Hier war früher das Handelszentrum der Limburger Wollweber. Die vielen Fische, mit denen die Häuser rund um den Fischmarkt verziert sind, sind also durchaus irreführend.

Von hier aus gehen wir nun wieder zurück über die alte Lahnbrücke zum Campingplatz.

Wenn ich jetzt noch alle Limburger Geschichten erzählen wollte, dann wäre dies hier tatsächlich ein Buch und kein Blogpost, daher, wenn du Interesse an den Geschichten hast, empfehle ich tatsächlich eine der vielen angebotenen Führungen in Limburg wahrzunehmen.

Aber den Trompeter, der angeblich für die Niederlage Napoleons verantwortlich war, will ich dir dann zum Ende doch noch kurz vorstellen:

Georg Kaschau wurde am 17. Mai 1794 in Limburg als Sohn von Johann Kaschau und seiner Frau Katharina geboren. Dieser Teil lässt sich nachweisen.

Er ging schon früh zum Militär und kämpfte in Spanien für die Nassauer. Aber er desertierte, trat stattdessen in preußische Dienste und wurde schließlich Stabstrompeter bei den „Schwarzen Korsaren“.

1815 lief es in der Schlacht bei Waterloo gar nicht gut für die Gegner Napoleons. Ein Vorrücken schien aussichtslos und die beste Lösung war tatsächlich der Rückzug. Und so sollte Kaschau zum Rückzug blasen. Leider (oder zum Glück?) war er dem Alkohol nicht abgeneigt und wohl zu betrunken, den Befehl richtig auszuführen, und so blies er statt zum Rückzug zum Vorrücken. Andere Trompeter nahmen das Signal auf und verbreiteten es weiter. Das Vorrücken ließ sich nicht mehr aufhalten und so kam es zum (komplett unvorhergesehenen) Sieg über Napoleon bei Waterloo. Für die Geschichte Kaschaus gibt es keine schriftlichen Belege, denn sie beruht nur auf mündlichen Überlieferungen. Der Sieg über Napoleon ist aber durchaus belegt.

Kaschau soll damals das Eiserne Kreuz und Ehrenzeichen erhalten haben. Viele Jahre später wurde er wegen dieser Auszeichnungen zu einer Feier ehemaliger Waterloo-Kämpfer und der noch lebenden Nassauer seiner ehemaligen Truppe eingeladen, aber wegen seiner Desertation in Spanien kurzerhand ausgeschlossen. Seine Antwort darauf war nur: „Aber Waterloo?“ – was wohl ausreichte, ihn doch noch an der Feierlichkeit teilnehmen zu lassen.

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