Gotha

„Damit Gotha leben kann, muss ich sterben!“, das waren Joseph von Gadollas letzte Worte bevor er am 5. April 1945 wegen „Aufgabe des festen Platzes Gotha“ vom Exekutionskommando erschossen wurde. Erst 1997 wurde er offiziell wieder rehabilitiert. Heute stehen seine letzten Worte auf einer Gedenktafel im Gothaer Schloss Friedenstein.

Doch wie kam es überhaupt dazu?
Als im März 1945 die alliierten Truppen immer weiter vorrücken und absehbar ist, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist, erlässt Hitler den sogenannten Nero-Befehl. Er befiehlt, alle militärischen Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind zur Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen könnte, zu zerstören.

Joseph von Gadolla ist Kampfkommandant von Gotha, als am 3. April 1945 die alliierten Truppen nur knapp 10 km vor Gotha stehen. Eigentlich hätte er spätestens jetzt alle Mann, egal ob militärisch ausgebildet oder zivil, bewaffnen und verteidigungsbereit machen müssen und gleichzeitig alle Infrastruktur und alles Wertvolle in Gotha zerstören müssen. Aber es gibt keine Waffen und kaum ausgebildete Soldaten. Eigentlich müsste er jetzt jeden in den sicheren Tod schicken und auch alle Kulturgüter Gothas aufgeben und zusehen, wie sie den Kämpfen zum Opfer fallen.

Doch von Gadolla entscheidet sich gegen den ausdrücklichen Befehl Hitlers zu handeln. Er informiert die Zivilbevölkerung und schickt den Volkssturm, der sowieso fast nur aus schlecht ausgebildeten Hitlerjungen und alten Männern bestand, nach Hause. Dann veranlasst er die Kapitulation Gothas und lässt weiße Fahnen hissen. Und damit nicht genug: Um die Kapitulation dem Feind auch wirklich so früh wie möglich bekannt zu geben und damit die Schäden so gering wie möglich zu halten, versucht er selbst zwei Mal mit einer weißen Fahne zu den alliierten Truppen zu gelangen. Beim zweiten Versuch wird er von der Wehrmacht abgefangen und am Folgetag vom Standgericht der Wehrmachtskommandantur zum Tode verurteilt. Das Urteil wird schon am nächsten Morgen vollstreckt.

Dank von Gadolla konnten viele Menschenleben verschont und Gothas Altstadt und viele ihrer Schätze bewahrt werden. In den 1980er Jahren wurden dann leider doch noch große Teile der Altstadt abgerissen – auch Teile, die im Krieg kaum beschädigt wurden –,  wodurch das frühere schöne Stadtbild leider verloren ging.

Trotzdem hat Gotha heute noch viel zu bieten und man findet überall wunderschöne Zeugnisse der fast 1250-jährigen Stadtgeschichte: da gibt es u.a. den Buttermarkt,  das Augustinerkloster mit -kirche, das Hospital „Maria Magdalena“, das historische Rathaus, Schloss Friedenstein mit seinen Kasematten, die Margarethenkirche, die Orangerie, die Forschungsbibliothek, das Deutsche Versicherungsmuseum und, und, und…

Aber noch etwas will ich euch nicht vorenthalten: Gotha ist für mich die Stadt der „Ersten Male“:

  • Martin Luther hielt hier 1515 seine erste Predigt.
  • Der Pädagoge Andreas Reyher führte in Gotha unter Ernst dem Frommen 1642 die erste Schulpflicht in deutschen Landen ein.
  • 1712/13 wurde das Münzkabinett im Schloss Friedenstein als wahrscheinlich erstes Museum in Deutschland eröffnet.
  • Herzog Ernst II. gründete zusammen mit dem Schauspieler Conrad Ekhof 1775 im Gothaer Schlosstheater das erste stehende deutsche Hoftheater mit festem Ensemble.
  • Der erste internationale Astronomiekongress wurde 1798 auf der Seeberg-Sternwarte abgehalten.
  • Der Kaufmann Ernst Wilhelm Arnoldi gründete hier 1820 die erste überregionale deutsche Feuerversicherungsbank, weswegen Gotha auch die „Wiege der Versicherungen“ genannt wird.
  • 1861 wurde hier der Deutsche Schützenbund gegründet und das erste Schützenfest ausgerichtet.
  • Und 1875 wurde in Gotha die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschland, die spätere SPD, aus einem Zusammenschluss zweier Arbeiterparteien gegründet.

Gotha ist also nicht nur etwas fürs Auge, sondern hält auch eine wirklich interessante Geschichte bereit. Der Weg hier her lohnt sich absolut!

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